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6 Gründe, wofür Wut gut sein kann

 

Wenn Kinder uns gegenüber wütend sind oder einen Wutausbruch haben, während wir gerade mit ihnen einkaufen gehen oder unterwegs sind, kann das unangenehm sein. Es ist oft eine grosse Herausforderung für Eltern, damit umzugehen, ohne den Ausbruch zu verschlimmern. Auf den zweiten Blick oder aus der Meta-Ebene betrachtet, ist es eine sinnvolle Strategie des biologischen Systems, wenn Dein Kind mit Wut reagiert.

 

Das zweite Szenario, das oft ebenso unangenehm erlebt wird, ist dass Du als Elternteil wütend wirst und vielleicht dafür Scham und Schuldgefühle erlebst, denn Du meinst, gute Eltern sind nicht wütend. Ich möchte Dir sagen: Doch. Authentische Eltern sind auch mal wütend. Und es gibt gute Gründe dafür, für Deine Wut dankbar zu sein, weil sie Dir etwas ganz wichtiges anzeigt:

LEBENDIGKEIT: Wut ist ein Gefühl und eine Strategie wie jede(s) andere auch. Jedoch lässt uns Wut unsere Lebendigkeit spüren. Denn das autonome Nervensystem kann entweder mit Flucht, Kampf oder Starre reagieren. Weder die Flucht noch die Starre (oder Depression) lassen mich so wie die Wut fühlen, dass ich da bin und dass mir dieses Leben oder dieser gegenwärtige Moment wichtig sind.


SICHERE BINDUNG: Wenn Dein Kind in Deiner Gegenwart Wut zeigt, zeigt es Dir damit auch, dass es sich bei Dir generell sicher genug fühlt und der Beziehung vertraut.
 Kinder die dagegen befürchten, bestraft zu werden, wählen eher Flucht oder Starre als Bewältigungsstrategie. 

 

SELBSTFÜRSORGE: Wut zeigt uns an, dass hier "etwas nicht stimmig ist". Dass gerade etwas in der Beziehung "verrutscht" ist. Das Kind zeigt Dir damit vielleicht, dass diese Situation es gerade in seinem natürlichen Wesen und seinen tiefsten Bedürfnissen verletzt oder dass es seine kindliche Reife und Kapazitäten überfordert. Wut ist also auch ein Zeichen dafür, dass gerade ein Mangel an Sicherheit, Bindung, Klarheit oder Führung besteht. Welches Bedürfnis braucht Dein Kind gerade? z.B. Erholung, Ruhe, Kuschelzeit, Nähe, Bindung.

Wo hast Du Dich auch als Erwachsener überfordert oder übergangen? Wo bist Du aus der Verantwortung gegangen?

Hier gilt es, sich erst einmal wieder mit Dir selbst zu verbinden, um zu spüren, welches Bedürfnis Du hast. Tu als erstes etwas für Dich, um Deine Batterien wieder aufzuladen und wieder ins Gleichgewicht zu gelangen. Dann kannst Du Deinem Kind wieder einen sicheren verlässlichen Rahmen schenken.

 

SELBSTERMÄCHTIGUNG: Wut ist ganz klar eine Autonomiestrategie und sie bringt Menschen dazu, für sich einzustehen und zu zeigen: "Ich lasse mich nicht klein machen." Wut hilft also, den inneren Lebenswillen aufrecht zu erhalten und für die eigene freie Entwicklung einzustehen, anstatt am Aussen zu zerbrechen. Aus der Wut darf dann im Laufe der Zeit Neutralität und Verständnis werden. Dafür braucht es das Bewusstsein für den grösseren Zusammenhang der Wut (was steckt also dahinter).

BEWEGUNG: Wut ist ein sinnvolles Deckmantel-Gefühl, um wieder in die Selbstwirksamkeit, ins Handeln und in Bewegung zu kommen, statt hilflos zu bleiben. Flucht und Starre als Bewältigungsstrategien des Nervensystems sind eher defensiv. Kampf und Wut sind von der Bewegung eher nach vorne ausgerichtet. Es bringt Emotionen ins Fliessen, indem ich sie ausagiere, hinausschreie etc. Dieses Fliessen bringt auch das energetische System wieder in Schwingung, so dass es in die Regulation finden kann. Kinder brauchen dabei Eltern, die ihnen helfen, zu verstehen, welche Gefühle unter diesem Deckmantel der Wut liegen: Ohnmacht, Traurigkeit, Einsamkeit. Die Wut schützt das Kind davor, die wahren Gefühle nach aussen zu zeigen. Diese wird es nur in einem ganz sicheren geschützten Rahmen fühlen und erlauben - und das ist in der Regel das Elternhaus und nicht die Schule!

ABGRENZUNG: Wut erleichtert uns die Abgrenzung. Wer einen Wutausbruch hat, schafft Raum um sich, steckt seine Grenzen, wehrt andere ab und zeigt ihnen, dass er einen Wert hat! Gerade in den sogenannten Autonomiephasen des Kindes (ca. 2-3 Jahre und in der Pubertät) hat das seinen Sinn. Es ist sozusagen von der Biologie extra so eingerichtet worden, um die Abnabelung zu erleichtern. Auch Eltern verlieren sich oft im Geben-Funktionieren-Geben. So zeigt ihnen die Wut an, dass Alleinesein, Abgrenzen, Nein sagen und den eigenen Raum wieder einnehmen, ganz dringend notwendig sind, um nicht auszubrennen.

 

Es ist interessant, welch fein abgestimmtes System unsere Psyche ist. Jedes Detail macht Sinn und trägt zum Lebenserhalt und der Entfaltung / Entwicklung bei. Wir dürfen einfach hinschauen, hinhören und wahrnehmen, was uns der Ausdruck des Kindes sagen möchte. Und natürlich dürfen wir auch bei uns selbst achtsam sein, wie wir mit Wut umgehen und was sich dahinter zeigt.

 

Gerade Menschen, die immer nett und angepasst sind, die also das "people pleasing" als Strategie wählen, tragen oft eine versteckte Wut in sich. Die Frage ist immer nur, welche Strategie in der Kindheit das Überleben am besten schützen konnte. Wir alle können von der Wut und den darunterliegenden Emotionen sehr viel lernen, wenn wir bereit sind, sie anzuschauen und zu fühlen.

 

Frage Dich in der Wut zum Beispiel:

  • Welche Grenze wurde überschritten?
  • Welche Wahrheit habe ich nicht ausgesprochen?
  • Welches Bedürfnis habe ich übergangen?
  • Wo habe ich meine innere Stimme verraten?
  • Wo habe ich Ja gesagt, obwohl ich Nein fühlte?
  • Wann habe ich meine Kapazitäten überschritten?

Die Art und Weise wie wir mit der Wut umgehen können, wie sehr wir verstehen, wozu sie da ist und was sie uns gerade sagen möchte, sowie die Fähigkeit, die darunterliegenden Gefühle zu fühlen, ist ein Ausdruck der sozialen Reifung. Steckt das Nervensystem noch in kindlichen Überlebensmustern fest, hat es erst einmal keinen Zugang zu diesem Verständnis, weil die wahren Gefühle abgeschnitten sind. Dann läuft ein automatisches Programm immer und immer wieder ab. Und das ist das Problematische an manchen Eltern-Kind-Beziehungen: wenn Eltern selbst noch in diesen Kindlichen Überforderungsprogrammen und Bindungsverletzungen festhängen, weil sie nie verarbeitet wurden. Dann entsteht in den Familien oft ein Kreislauf aus Wut, unkontrollierbaren Verhaltensweisen und nicht angemessenen Grenzsetzungen, die wiederum das Kind in seiner emotionalen Stabilität verletzen. Durch die Arbeit mit Deinem Nervensystem und Deinen eigenen Verletzungen kannst Du aus diesem negativen Kreislauf aussteigen. 

 

Manchmal verstecken sich hinter der Wut generationenübergreifende Ursachen - Päckchen und Pakete aus der Ahnenlinie, unverarbeitete Traumata - die im System zu Überforderung und Belastung führen, die das Kind über Wutanfälle ausdrückt. Ich unterstütze Dich gerne dabei, zu verstehen, was sich hinter der Wut Deines Kindes zeigt.

 


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