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Ich möchte heute über ein Thema schreiben, das so einfach klingt, aber eigentlich mit das schwerste ist, was wir als Eltern lernen dürfen. Es geht um die Neutralität. Was ist damit eigentlich
gemeint?
Neutralität bedeutet, dass wir nicht sofort auf den Reiz einsteigen
Wir sind ständig von vielfältigen Reizen umgeben: Informationen, Geräusche, Sinneseindrücke, Gespräche/Sätze, aber auch Dinge, die wir auf einer unbewussten Ebene wahrnehmen: Mimik, Gestik,
Stimmungen, Erwartungen, Verpflichtungen, Druck, usw. Wenn von Außen ein Reiz in Dein System gelangt, reagiert es erst einmal automatisiert.
Das heißt, Du bekommst sofort einen Reflex, ein Gefühl oder ähnliches oder Du assoziierst etwas damit und denkst Dir: „Ach, das ist ja wieder wie letztes Mal“. Der Reiz bringt Dich also z.B. in
eine bestimmte Stimmung. Da springen verschiedene innere Mechanismen an und manchmal gehen wir auch sofort in eine Abwehrreaktion.
Was direkt davor passiert - was wir nicht bewusst mitkriegen -
ist die Bewertung, über die unser Verstand versucht, die Dinge in Schubladen einzusortieren, um im Fall des Falles schnell reagieren zu können.
Stell Dir also vor, Du hast so
einen großen Schrank in dir, der besitzt ganz viele Schubladen und über dieses Einsortieren in die Schubladen versucht Dein System eine gewisse Ordnung herzustellen und Orientierung zu
schaffen.
Je nachdem, in welchem Kontext wir aufgewachsen sind, haben wir unterschiedliche Schubladen, unterschiedliche Bewertungskriterien und Automatismen, die da ablaufen. Der Mensch ist es nicht
gewohnt, ausserhalb dieser Schubladen zu denken und sie einfach mal auszublenden und damit die Dinge, die auf ihn zukommen (Sätze, Emotionen, Bedürfnisse, Erwartungen, Information, Nachrichten
aus dem Umfeld) aus einer gewissen Neutralität anzuschauen - so als würde ich das erste Mal ein Glas sehen und nicht wissen, dass dieses Glas ein Glas ist und dass man es zum Trinken benutzt.
Denn das ist auch eine Schublade.
Wir wissen genau, was wir mit den Dingen tun, die wir um uns herum haben, aber wenn du vielleicht mal irgendetwas gesehen hast aus einem anderen Kulturkreis oder aus einer anderen Zeitepoche,
dann kannst Du das vielleicht nicht so einfach benennen, weil Du es nicht in Deinen Lebenskontext einordnen kannst. Du siehst zum Beispiel ein Bild und da ist ein Gegenstand drauf, den Du nicht
kennst, dann hast du da eine ganz andere Haltung dazu. Du bist dann einfach in dem Moment neutral. Du bist sogar in einer Art Offenheit, in einer Neugier, du
möchtest herausfinden, was Du da siehst und was man mit diesem Gegenstand machen kann.
Das ist die Haltung, die wir als Eltern kultivieren dürfen:
Diese offene, weite, neugierige Haltung ohne die sofortige Bewertung, ohne dass wir unser eigenes Gefühl, unsere eigene Erfahrung sofort drüber legen. In meinem Herzkompass©
Kartenset findest Du dafür auch die Karte der ADLERPERSPEKTIVE. Sie verdeutlicht, was diese Neutralität ausmacht:
Die Adlerperspektive ist ein schönes Bild für diese Neutralität, für diese Weite und auch für diese Offenheit des Nicht-Bewertens. Ein Adler bewertet nicht, was er da unten sieht, er ist einfach
achtsam und wachsam. Und er bekommt dadurch ganz genau mit, was da los ist. Er kann mit Sicherheit Zusammenhänge erkennen aus dieser Perspektive, die Du nicht erkennen kannst, wenn Du direkt
unten auf der Straße stehst.
Also der, der unten auf der Straße steht, kann vielleicht nicht sehen, dass ein Kilometer weiter ein Unfall passiert ist, aber wenn Du in der Adler Perspektive bist, dann kannst Du den Menschen sehen da unten und den Unfall und davor die Scheune und die Felder und so weiter. Du kannst aus der Weite die Zusammenhänge ganz anders wahrnehmen.
Diese Offenheit und Neugier, die in der Neutralität verborgen liegt, die öffnet uns insgesamt einen Raum der Möglichkeiten
Wenn wir ins Interpretieren gehen, wenn wir in die Bewertung gehen, wenn wir das gleich in eine Schublade stecken, wenn wir gleich unsere Emotion drauflegen, dann sind wir schon in einer
bestimmten Richtung unterwegs und auf diesem Weg auch gefangen und in der Wahrnehmung oder Erfahrung eingeschränkt. Wir machen im Prinzip die Möglichkeiten der Lösung schon im Vorfeld sehr, sehr
eng, und sind uns dessen aber nicht bewusst.
Und das führt dann dazu, dass wir denken: „Na ja, wir haben doch alles ausprobiert und nichts funktioniert.“
Wir haben alles ausprobiert, aber NUR auf diesem EINEN WEG, wir haben praktisch immer die gleichen Schubladen benutzt und wundern uns dann, dass die Situation sich nicht verändern kann.
Um in die Neutralität zu kommen, müssen wir es zunächst einmal schaffen, zwischen diesem äusseren Reiz (einem Satz, einer Emotion, einer Information aus dem Umfeld) und unserer
unwillkürlichen Reaktion des Bewertens einen STOP zu machen.
Stell Dir doch mal vor, Du hast so ein riesiges Stoppschild in Rot und das stellst Du da mal auf und vielleicht ist es so, dass Du Dich dann das nächste Mal, wenn Du wieder unbewusst automatisch
reagieren möchtest, dieses Stoppschild sogar wirklich vor deinem Auge siehst.
Und was Du dann machen kannst, ist, dass Du zu Dir zurück gehst:
Du gehst zurück in Deinen Raum, in Deinen Herzraum zum Beispiel und atmest dort hinein. Der Atem bringt uns sofort wieder zurück in dieses Gewahrsein und die Achtsamkeit, die der Adler mitbringt.
Du nimmst zum Beispiel 3 bis 4 tiefe Atemzüge in dein Herz und stellst dir ganz bewusst vor, wie du in die Adlerperspektive gehst.
Und dann schaust Du mal, wie sich die Situationen verändern, wenn Du diese simple und zugleich herausfordernde Übung in Deinen Alltag integrierst.
Es braucht ungefähr 3 bis 4 Wochen, bis unser Gehirn sich umgewöhnt, bis es Automatismen ablegt
Du darfst Dich auf jeden Fall ermutigen, dran zu bleiben und nicht nach 2 Versuchen aufzugeben.
Selbst, wenn Du die Adlerperspektive am Anfang nur im Nachhinein einnimmst, weil es Dir im entscheidenden Moment nicht aufgefallen ist, das ist völlig in Ordnung.
So fangen wir alle an, wir fangen an mit dem, dass uns bewusst wird, dass wir wieder in alten Mustern reagiert haben.
Das ist der erste Schritt und dann wirst du nach und nach merken, dass es dir immer leichter fällt, also dass die Abstände immer kürzer werden, in denen du das erkennst.
Und irgendwann bist du sogar in der Lage, es in dem Moment zu erkennen, wo du gerade anfängst, wieder in deinem alten Muster zu reagieren/bewerten. Du ertappst Dich dabei, wie Du gerade wieder
diese alte Schiene abfährst.
Was die Neutralität mit sich bringt, das sind die Qualitäten, die wir brauchen, um den Raum zu halten für unsere Kinder.
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